Straelener Übersetzerpreis 2025

2025
Preisträgerin
Hauptpreis
Claudia Sinnig

Foto: privat
Foto: privat

Jury-Begründung zum Hauptpreis an Claudia Sinnig

für ihre Übertragung von Ričardas Gavelis' Roman Vilnius Poker (S. Fischer, 2024) aus dem Litauischen mit besonderer Würdigung ihres übersetzerischen Gesamtwerks.

Claudia Sinnig hat mit ihrer Übertragung von Vilnius Poker einen Kraftakt geleistet, dem man die Mühe an keiner Stelle ansieht.

Ričardas Gavelis’ Tour de Force durch das deformierte, aber genialische Bewusstsein seines Protagonisten verlangt seiner Übersetzerin ein Maximum an Spannkraft und Beweglichkeit ab, und Sinnig wird diesem Anspruch auf jeder Seite gerecht. Sie folgt dem Haupthelden des Romans, dem ehemaligen politischen Häftling Vytautas Vargalys, in dessen paranoides Delirium und streift mit ihm durch das schillernde Vilnius der Sowjetära – einen Ort, der mal als grotesker anus mundi geschildert wird, mal als mythische heilige Stadt, bevölkert von unglückseligen, garstigen, herrischen und herrlichen, tapferen und rebellischen Gestalten. Sie findet eine Sprache für jede Szene, jeden Erzählstrang der "Geschichte", selbst wenn es ein reinkarnierter Hund ist, dem wir zuhören; sie meistert lässige Dialoge ebenso wie seitenlange Beschreibungen von Jazzkonzerten oder die harte Schilderung von Gewaltexzessen. Vor allem aber schafft sie einen endlos variablen, treibenden, magnetischen Rhythmus, der die Leser:innen von Vilnius Poker bis zum Schluss nicht loslässt.

Dass dieser Preis gleichermaßen auch Claudia Sinnigs Lebenswerk gilt, ist doppelt sinnfällig: Ihre langjährige Erfahrung als Übersetzerin (unter anderem von Tomas Venclova) und ihre profunde Kenntnis der litauischen Literatur und Geschichte sind unübersehbar in den deutschen Vilnius Poker eingeflossen – kombiniert mit einem außerordentlich breiten sprachlichen Repertoire und einer hörbar lebendigen Neugier. Das Ergebnis klingt im höchsten Maß versiert,
aber nie routiniert.

Über Claudia Sinnig

1965 geboren, aufgewachsen in Gotha, ist Literaturübersetzerin und -wissenschaftlerin, vor allem auf dem Gebiet der litauischen Kultur. Sie studierte Russisch, Englisch und Litauisch in Leipzig, Belgorod und Vilnius und hat 1992 an der Universität Leipzig zur litauischen Literatur promoviert. Beeindruckt von der litauischen Unabhängigkeitsbewegung anlässlich eines Forschungsaufenthalts in Vilnius ab Herbst 1989, wurde sie unter anderem für den Lithuanian Review, die englischsprachige Zeitung der Sąjūdis, und das Informationsbüro des ersten frei gewählten postsowjetischen Parlaments in Vilnius sowie in der sich konstituierenden litauischen Frauenforschung tätig.

Claudia Sinnig hat Werke von Antanas Škėma, Tomas Venclova, Eugenijus Ališanka, Jonas Mekas, Sigitas Parulskis, Vaiva Grainytė und vielen anderen ins Deutsche übertragen. Außerdem ist sie Verfasserin von zahlreichen publizistischen und wissenschaftlichen Beiträgen in deutschsprachigen und internationalen Medien, vorrangig zur litauischen Kultur und ihren facettenreichen Verflechtungen mit Nachbartraditionen.

Für ihre Übersetzungen und ihre Vermittlungsarbeit wurde sie mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Hieronymus-Preis des litauischen Lyrikfestivals "Frühling der Poesie" (2014), dem Orden "Für Verdienste um Litauen" (Offizierskreuz, 2018) sowie dem Hieronymusring des Deutschen Übersetzerfonds, dessen Trägerin sie von 2023 bis 2025 war. Claudia Sinnig lebt im brandenburgischen Oderbruch.

Die ausgezeichnete Übersetzung

Ričardas Gavelis
Vilnius Poker
Roman
Aus dem Litauischen von Claudia Sinnig
688 Seiten
S. Fischer, 2024

Literatur

Mit ihrer Literaturförderung unterstützt die Kunststiftung NRW die Produktion, Vermittlung und Präsentation literarischer Werke von hoher Qualität in und aus NRW.

Durch Arbeits- und Recherchestipendien, die Förderung von Publikationen und Editionen, Literaturfestivals, Lesereihen und besonderen literarischen Vorhaben bieten wir der Literaturlandschaft Nordrhein-Westfalens eine breitgefächerte Unterstützung, die die Vielfalt des literarischen Lebens vor Ort stärkt und sichtbar macht und über die Grenzen des Landes hinausträgt. Ein Schwerpunkt liegt dabei im Bereich der literarischen Übersetzung, mit dem Anspruch, den internationalen Kulturtransfer zu befördern und mit neuen Akzenten zu versehen.

  • Förderung
    • Allgemeine Vorhaben
    • Stipendien
    • plus eins

      plus eins verbindet die Idee eines Masterclass-Programms mit konkret-bedürfnisorientierter Individualförderung.

      • Literatur
        Antragsverfahren
        plus eins

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      • Literatur
        plus eins
        2025
        Esra Canpalat (Mentee)
        Martina Wunderer (Mentorin)

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      • Literatur
        plus eins
        2025
        Pedro Goncalves Crescenti (Mentee)
        Hendrik Otremba (Mentor)

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      • Literatur
        plus eins
        2025
        Miedya Mahmod (Mentee)
        Daniela Seel (Mentorin)

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      • Literatur
        plus eins
        2025
        Lisa Tracy Michalik (Mentee)
        Olivia Wenzel (Mentorin)

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    • Residenzen
      • Atelier Galata, Istanbul

        Wir vergeben ein Residenzstipendium im Bereich Literatur in Istanbul.

        Die Ausschreibung richtet sich an professionelle Autor:innen mit Lebensmittelpunkt in Nordrhein-Westfalen, die bereits öffentliche Anerkennung erfahren haben und mindestens eine literarische Veröffentlichung vorweisen können – wahlweise in Buchform (Selbstverlag ausgeschlossen) oder in überregional relevanten Zeitschriften oder Anthologien. Bei Bewerber:innen aus dem performativen Bereich zählen auch entsprechende Auftritte/Inszenierungen in etablierten Kontexten. Sollten Sie aus dem Bereich Veranstaltungskuration stammen, bitten wir um eine vorherige Kontaktaufnahme (beratungLIT@kunststiftungnrw.de). Die Ausschreibung ist nicht alterslimitiert.
         

      • Jan van Eyck Academie, Maastricht

        Die Kunststiftung NRW hat ein neues, zweimonatiges Residenzstipendium an der Jan van Eyck Academie, Maastricht, eingerichtet.

        Das zweimonatige Aufenthaltsstipendium soll es Autor:innen ermöglichen, konzentriert an einem Projekt zu arbeiten und zugleich vom Angebot der renommierten Jan van Eyck Academie zu profitieren. Hierbei geht es explizit auch darum, die Möglichkeit des Austausches mit den anderen (internationalen) Residents aus sämtlichen Kunstformen zu nutzen.
        Die Ausschreibung ist nicht alterslimitiert. Sie richtet sich an professionelle Autor:innen mit Lebensmittelpunkt in Nordrhein-Westfalen, die bereits öffentliche Anerkennung erfahren haben und erste literarische Veröffentlichungen vorweisen können. Wünschenswert ist ein Interesse an transmedialen Verfahrensweisen oder auch ein Grenzgängertum zwischen den literarischen Formen und Ausdrucksweisen.

        • Literatur
          Antragsverfahren
          Jan van Eyck Academie, Maastricht

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        • Residenzstipendium
          Jan van Eyck Academie, Maastricht 2025
          Jennifer Eckert

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    • Förderbeispiele
      • Wege durch das Land
        Festival
        Ostwestfalen-Lippe

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      • Droste Festival
        "Landlord's Game"
        Burg Hülshoff - Center for Literatur
        Havixbeck

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      • Poetica 10
        "Poetic Thinking and Hospitality – Freiräume der Poesie"
        Festival für Weltliteratur
        Köln

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      • Zentrum Wort
        Bühne für Literatur & Übersetzung
        Frankfurter Buchmesse

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      • Literatur am Dom
        Festival
        Altenberg

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      • Wuppertaler Literatur Biennale
        "Vom Verschwinden"

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      • Internationales Lyriktreffen Münster

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      • Geförderte Bücher und Übersetzungen
        Romane, Lyrikbände, Sachbücher, Zeitschriften

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      • Karin Harrasser
        "Luft pflanzen"
        Key-Note zum Symposium
        "Schreiben, was kommt"
        Köln

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      • Aktuell geförderte Publikationen

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  • Stiftungsinitiativen

    • Straelener Übersetzerpreis der Kunststiftung NRW

      Mit diesem Preis zeichnen wir herausragende literarische Übersetzungen und das Lebenswerk der Übersetzenden aus.

      In der Überzeugung, dass nur gelungene Übersetzungen literarischer Texte die Begegnung mit Weltliteratur, die Einfühlung in das Fremde und einen internationalen Kulturtransfer ermöglichen, hat die Kunststiftung NRW 2001 in Kooperation mit dem Europäischen Übersetzer-Kollegium Straelen den mit 25.000 Euro dotierten Straelener Übersetzerpreis ins Leben gerufen.

      Er zeichnet neben einer herausragenden literarischen Übersetzung zugleich das Lebenswerk der Übersetzenden aus und gehört zu den höchstdotierten Literaturpreisen im deutschsprachigen Raum. Seit 2012 vergeben wir zusätzlich einen Förderpreis in Höhe von 5.000 Euro.
       

    • Straelener Atriumsgespräche der Kunststiftung NRW

      Wir fördern Werkstattgespräche zwischen Autor:innen und ihren internationalen Übersetzer:innen.

      Im Rahmen der internationalen Veranstaltungsreihe Straelener Atriumsgespräche – initiiert von der Kunststiftung NRW und dem Europäischen Übersetzer-Kollegium Straelen – arbeiten zweimal jährlich herausragende deutschsprachige Autor:innen über mehrere Tage mit ihren ausländischen Übersetzer:innen an aktuellen Werken.

      Die Kunststiftung NRW unterstützt mit diesem beispielgebenden Projekt die künstlerische Arbeit der Literaturübersetzer:innen und trägt dazu bei, Fehler und Missverständnisse im Sprach- und Kulturtransfer zu vermeiden. Die Rezeption deutschsprachiger Literatur im Ausland wird damit gefördert und die Qualität übersetzter Literatur generell gesteigert.

      Weitere Informationen www.euk-straelen.de
       

    • Thomas-Kling-Poetikdozentur

      Wir berufen namhafte Autor:innen und Übersetzer:innen der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur als Gastdozent:innen an die Universität Bonn.

      Als besonderes Förderprojekt wurde im Jahr 2011 die Thomas-Kling-Poetikdozentur an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn eingerichtet. Namhafte Autor:innen und Übersetzer:innen werden mit einem Stipendium ausgestattet, das ihnen eigene Lehrveranstaltungen ermöglicht. Die Auswahl treffen Vertreter:innen der Kunststiftung NRW und der Universität Bonn. Mit dieser spezifischen Autorenförderung wird eine Brücke zwischen Wissenschaft und Literatur geschlagen. Die Studierenden können nicht nur Einblick in eine künstlerische Schreibwerkstatt nehmen, sondern sich auch mit der ästhetischen Theorie lebender Autor:innen wissenschaftlich auseinandersetzen.

      Der Lyriker und Essayist Thomas Kling (1957-2005), nachdem die Dozentur benannt ist, war eine Ausnahmeerscheinung unter den deutschsprachigen Dichtern seiner Generation, ein Meister der sprachlichen Inszenierung. Beeinflusst von Autoren wie H. C. Artmann, Ernst Jandl und Paul Celan schuf er ein poetisches Werk, mit dem er maßgeblichen Einfluss auf die deutschsprachige Lyrik nach 1990 nahm: Klings Gedichtbände waren wegweisend für seine Zeitgenossen, ebenso seine spektakulären Auftritte. Thomas Kling war im Rheinland verwurzelt. Seinem radikalen Geist und seinem kompromisslosen Künstlertum fühlt sich die Kunststiftung NRW in besonderer Weise verpflichtet. Seit Klings frühem Tod im Jahr 2005 helfen wir, sein Erbe zu bewahren, und unterstützten Aktivitäten des Thomas-Kling-Archivs auf der Raketenstation Stiftung Insel Hombroich. 2015 erschien die Höredition "Die gebrannte Performance" in der Schriftenreihe Literatur der Kunststiftung. 2020 wurde die große vierbändige Thomas-Kling-Werkausgabe im Suhrkamp Verlag mit Mitteln der Kunststiftung NRW ermöglicht.
       

    • Publikationen
      • Schriftenreihe Literatur

        In ihrer Schriftenreihe Literatur stellt die Kunststiftung NRW Autor:innen des Landes vor und bietet einen Publikationsort auch für ausgefallene literarische Vorhaben, die unmittelbar aus Förderprojekten der Stiftung hervorgehen. Sie dokumentiert herausragende, von der Stiftung initiierte literarische Vorhaben und verleiht der Literaturszene NRW Sichtbarkeit.