Straelener Übersetzerpreis 2024

2024
Preisträgerin
Hauptpreis
Eva Profousová

Foto: Markus Feger
Foto: Markus Feger

Jury-Begründung zum Hauptpreis an Eva Profousová

für ihre Übertragung von Jáchym Topols Roman
Ein empfindsamer Mensch (Suhrkamp, 2019) aus dem Tschechischen
mit besonderer Würdigung ihres übersetzerischen Gesamtwerks

Eva Profousová hat mit Jáchym Topols Ein empfindsamer Mensch ein Husarinnenstück von einer Übersetzung vorgelegt. Furchtlos folgt sie dem Autor und seinem Heldenkollektiv, einer tschechischen Schaustellerfamilie auf Europatour, durch wilden Slapstick, krachlederne Derbheit, irrwitzige Fügungen, Registersprünge und Tonartwechsel. Sie folgt, scheint aber voranzugehen, denn sie beschreitet eigene, ganz und gar unabhängige sprachliche Wege und schafft so ein Idiom, das Topols fantastischer, wüst-fantasievoller Umgangssprache ebenbürtig ist. Genau darin liegt die Kunst der Entsprechung.

Die empfindsame Navigation der Übersetzerin lässt kein Detail außer Acht und wird der Spannung der Vorlage durchweg gerecht. Es gibt kaum einen Satz, der nicht eine besondere übersetzerische Schwierigkeit zu überwinden hätte, und doch sprüht die Freude am Spiel dem Text aus allen Poren. Profousovás plurilinguales Sprachkunstwerk bewegt sich gewandt zwischen erlebter und Erzählerrede, es ergründet die Jargons der aufmüpfigen Figuren und tänzelt ohne Netz über unerforschte Gebiete des Wortwitzes.

Eva Profousová, die auch für ihr Lebenswerk als Übersetzerin von Autor:innen wie Jaroslav Rudiš, Michal Viewegh und Radka Denemarková ausgezeichnet wird, beschreibt ihren Weg ins Deutsche als Übersetzungssprache als Aneignung einer neuen Heimat, und zugleich als eine Art Bildungsprojekt: Indem sie "dem deutschen Text die Atmung des Originals" beibringt, versucht sie zugleich "zu einer sprachlich-gesellschaftlichen Polyphonie beizutragen" (Eva Profousová).

Was das heißt, ist hier auf jeder Seite nachzulesen.

Über Eva Profousová

Eva Profousová wurde 1963 in Prag geboren. Nach ihrer Flucht aus der Tschechoslowakei 1983 studierte sie an der Universität Hamburg Neuere osteuropäische Geschichte und Slawistik. Ihre Anstellung im neu gegründeten Honorargeneralkonsulat der Tschechischen Republik (1992-2002) brachte sie zur tschechischen Kultur zurück und zum Übersetzen – zunächst im Tandem mit Freundinnen und Studienkolleginnen, später allein. Von 2002 bis 2004 war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin der von der Robert Bosch Stiftung herausgegebenen Reihe Die Tschechische Bibliothek tätig. Seitdem arbeitet sie fast ausschließlich als freiberufliche Literaturübersetzerin aus dem Tschechischen, kuratiert Festivals und Lesereihen, moderiert Literaturabende, tritt selbst als Vorleserin auf. 2023 ist ihre erste Übersetzung aus dem Slowakischen erschienen, der zweiten Sprache ihrer tschechoslowakischen Kindheit. Neben ihrer übersetzerischen Tätigkeit setzt sie sich für eine größere Sichtbarkeit der Literaturübersetzer/innen ein. Nach 35 Jahren in Hamburg ist sie 2018 nach Berlin gezogen, wo sie bis heute lebt. Das Phänomen des Übersetzens in die Nicht-Muttersprache hat sie im folgenden Essay thematisiert: Link

Aus dem Tschechischen übersetzte sie u.a. Bücher von Radka Denemarková, Jaroslav Rudiš, Katarína Kucbelová, Jáchym Topol, Kateřina Tučková und Petr Zelenka.

Bisherige Auszeichnungen:

2022 – Brücke-Berlin-Übersetzerpreis(gemeinsam mit Radka Denemarková)
2012 – Georg Dehio-Ehrenpreis (gemeinsam mit Radka Denemarková)
2011 – Usedomer Literaturpreis (gemeinsam mit Radka Denemarková)
2010 – Hamburger Förderpreis für literarische Übersetzungen

Die ausgezeichnete Übersetzung

Jáchym Topol
Ein empfindsamer Mensch
Roman
Aus dem Tschechischen von Eva Profousová
494 Seiten
Suhrkamp, 2019

Literatur

Mit ihrer Literaturförderung unterstützt die Kunststiftung NRW die Produktion, Vermittlung und Präsentation literarischer Werke von hoher Qualität in und aus NRW.

Durch Arbeits- und Recherchestipendien, die Förderung von Publikationen und Editionen, Literaturfestivals, Lesereihen und besonderen literarischen Vorhaben bieten wir der Literaturlandschaft Nordrhein-Westfalens eine breitgefächerte Unterstützung, die die Vielfalt des literarischen Lebens vor Ort stärkt und sichtbar macht und über die Grenzen des Landes hinausträgt. Ein Schwerpunkt liegt dabei im Bereich der literarischen Übersetzung, mit dem Anspruch, den internationalen Kulturtransfer zu befördern und mit neuen Akzenten zu versehen.

  • Förderung
    • Allgemeine Vorhaben
    • Stipendien
    • Residenzen
      • Atelier Galata, Istanbul

        Wir vergeben ein Residenzstipendium im Bereich Literatur in Istanbul.

        Ziel des Stipendiums ist es, die Literaturlandschaft vor Ort kennenzulernen, Kontakte zu knüpfen, Ideen auszutauschen, Anregungen für das eigene Schreiben zu gewinnen und diese Impulse in die jeweiligen Arbeitskontexte in Nordrhein-Westfalen einzubringen. Die Ausschreibung ist nicht alterslimitiert. Sie richtet sich an professionelle Autor:innen mit Lebensmittelpunkt in Nordrhein-Westfalen, die bereits öffentliche Anerkennung erfahren haben und erste literarische Veröffentlichungen vorweisen können.
         

    • Förderbeispiele
      • Zentrum Wort
        Bühne für Literatur & Übersetzung
        Frankfurter Buchmesse

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      • Geförderte Bücher und Übersetzungen
        Romane, Lyrikbände, Sachbücher, Zeitschriften
        2021-24

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      • Literatur am Dom
        Festival
        Altenberg

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      • Wuppertaler Literatur Biennale
        "Vom Verschwinden"

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      • Wege durch das Land
        Festival
        Ostwestfalen-Lippe

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      • Internationales Lyriktreffen Münster

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      • Droste Festival
        "Nenn mich Hexe!"
        Burg Hülshoff - Center for Literatur
        Havixbeck

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      • Poetica 9
        "Nach der Natur – Imaginations of Nature Poetry"
        Festival für Weltliteratur
        Köln

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  • Stiftungsinitiativen

    • Literaturpreis der Kunststiftung NRW - Straelener Übersetzerpreis

      Mit diesem Preis zeichnen wir herausragende literarische Übersetzungen und das Lebenswerk der Übersetzenden aus.

      In der Überzeugung, dass nur gelungene Übersetzungen literarischer Texte die Begegnung mit Weltliteratur, die Einfühlung in das Fremde und einen internationalen Kulturtransfer ermöglichen, hat die Kunststiftung NRW 2001 in Kooperation mit dem Europäischen Übersetzer-Kollegium Straelen den mit 25.000 Euro dotierten Straelener Übersetzerpreis ins Leben gerufen.

      Er zeichnet neben einer herausragenden literarischen Übersetzung zugleich das Lebenswerk der Übersetzenden aus und gehört zu den höchstdotierten Literaturpreisen im deutschsprachigen Raum. Seit 2012 vergeben wir zusätzlich einen Förderpreis in Höhe von 5.000 Euro.
       

    • Straelener Atriumsgespräche der Kunststiftung NRW

      Wir fördern Werkstattgespräche zwischen Autor:innen und ihren internationalen Übersetzer:innen.

      Im Rahmen der internationalen Veranstaltungsreihe Straelener Atriumsgespräche – initiiert von der Kunststiftung NRW und dem Europäischen Übersetzer-Kollegium Straelen – arbeiten zweimal jährlich herausragende deutschsprachige Autor:innen über mehrere Tage mit ihren ausländischen Übersetzer:innen an aktuellen Werken.

      Die Kunststiftung NRW unterstützt mit diesem beispielgebenden Projekt die künstlerische Arbeit der Literaturübersetzer:innen und trägt dazu bei, Fehler und Missverständnisse im Sprach- und Kulturtransfer zu vermeiden. Die Rezeption deutschsprachiger Literatur im Ausland wird damit gefördert und die Qualität übersetzter Literatur generell gesteigert.

      Weitere Informationen www.euk-straelen.de
       

    • Thomas-Kling-Poetikdozentur

      Wir berufen namhafte Autor:innen und Übersetzer:innen der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur als Gastdozent:innen an die Universität Bonn.

      Als besonderes Förderprojekt wurde im Jahr 2011 die Thomas-Kling-Poetikdozentur an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn eingerichtet. Namhafte Autor:innen und Übersetzer:innen werden mit einem Stipendium ausgestattet, das ihnen eigene Lehrveranstaltungen ermöglicht. Die Auswahl treffen Vertreter:innen der Kunststiftung NRW und der Universität Bonn. Mit dieser spezifischen Autorenförderung wird eine Brücke zwischen Wissenschaft und Literatur geschlagen. Die Studierenden können nicht nur Einblick in eine künstlerische Schreibwerkstatt nehmen, sondern sich auch mit der ästhetischen Theorie lebender Autor:innen wissenschaftlich auseinandersetzen.

      Der Lyriker und Essayist Thomas Kling (1957-2005), nachdem die Dozentur benannt ist, war eine Ausnahmeerscheinung unter den deutschsprachigen Dichtern seiner Generation, ein Meister der sprachlichen Inszenierung. Beeinflusst von Autoren wie H. C. Artmann, Ernst Jandl und Paul Celan schuf er ein poetisches Werk, mit dem er maßgeblichen Einfluss auf die deutschsprachige Lyrik nach 1990 nahm: Klings Gedichtbände waren wegweisend für seine Zeitgenossen, ebenso seine spektakulären Auftritte. Thomas Kling war im Rheinland verwurzelt. Seinem radikalen Geist und seinem kompromisslosen Künstlertum fühlt sich die Kunststiftung NRW in besonderer Weise verpflichtet. Seit Klings frühem Tod im Jahr 2005 helfen wir, sein Erbe zu bewahren, und unterstützten Aktivitäten des Thomas-Kling-Archivs auf der Raketenstation Stiftung Insel Hombroich. 2015 erschien die Höredition "Die gebrannte Performance" in der Schriftenreihe Literatur der Kunststiftung. 2020 wurde die große vierbändige Thomas-Kling-Werkausgabe im Suhrkamp Verlag mit Mitteln der Kunststiftung NRW ermöglicht.
       

    • Publikationen
      • Schriftenreihe Literatur

        In ihrer Schriftenreihe Literatur stellt die Kunststiftung NRW Autor:innen des Landes vor und bietet einen Publikationsort auch für ausgefallene literarische Vorhaben, die unmittelbar aus Förderprojekten der Stiftung hervorgehen. Sie dokumentiert herausragende, von der Stiftung initiierte literarische Vorhaben und verleiht der Literaturszene NRW Sichtbarkeit.